Dienstag, 21. Dezember 2010

Krieg der Kreuze?

In manchen Medien wird ja gerne kolportiert, dass ein großer Kampf zwischen den Organisationen herrschen würde. Nun, natürlich will sich jede Dienststelle auf die Schulterklopfen und den ultimativen Superlativ für sich pachten. Die bestausgerüstetsten Autos, Platz Eins bei den Transporten, die meisten Ambulanzdienste bei Großveranstaltungen,... Diese Liste lässt sich beliebig weiterführen. Unter'm Strich machen aber alle das Selbe und wenn man sich trifft, grüßt man sich. Meistens. Spöttisch wird dann vom "roten Plus", dem "Samenritterbund" und dem "Unfall-Johann" gesprochen. Steht man dann vor den Kollegen, weiß man meist nicht mehr was man außer "...Hallo." sagen soll. Als Frau hat man es da natürlich auch schon rein durch den Flirt-Faktor so viel einfacher, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Aber ich habe mir erzählen lassen, dass das als Mann auch funktioniert. Ohne Flirten versteht sich.
Small-Talk mit eben diesen Kollegen kann aber erfreulich erfrischend sein und im Grunde denken sich die ja ziemlich sicher das gleiche wie wir - nur, dass sie eben anders verkleidet sind.

Was ist da jetzt also die große Angst hinter der andren Organisation? Dass sie uns die Patienten wegnehmen? Vollkommener Blödsinn. Nachdem die Krankentransportnachfrage das Angebot an Rettungsautos tendentiell übersteigt, muss man sich also um Nachschub keine Gedanken machen. Und der Leitstelle der Wiener Rettung ist vollkommen egal welche Farbe die Nummer hat, an die sie einen Transport oder Einsatz abgibt. Gefragt ist hier das sog. "Einzugsgebiet" und ob ein freies Auto da ist.

Fürchten wir nun also, dass die andren so viel schlechter ausgebildet sind als wir? Auch nicht richtig. Rettungssanitäter werden nach den ERC-Richtlinien ausgebildet und die gelten für alle Organisationen gleichermaßen.

Eigentlich ist es (zumindest als arbeitender Sanitäter) komplett verrückt in Kollegen - die uns vermutlich die Arbeit deutlich erleichtern weil sie ja auch arbeiten - einen Konkurrenten zu sehen. Das sollte der Presseabteilung und der Buchhaltung überlassen werden.  So oder so lohnt es sich, auch einmal zu den anderen Organisationen zu schauen bzw. Kontakt aufzunehmen. Viele bieten beispielsweise Fortbildungen an, die es bei der eigenen Organisation nicht gibt und im Sinne der Fortbildungspflicht ist das ja ganz und gar in unser aller Interesse.Aber auch der banale Austausch mit Kollegen bei der Zigarette danach (also, nach dem abgeschlossenen Transport) wirkt oft Wunder.

Fazit: Natürlich gibt es die verblendeten Hard-Liner, die meinen "nur meine Farbe ist die richtige" aber das kennt man ja auch von den vielen anderen Vereinen im Bereich Sport, Politik, Religion und was es da sonst noch gibt. Davon sollte man sich jedoch nicht blenden lassen. Das Leben wird so viel einfacher wenn man nicht hinter jeder vermeindlich fremden Uniform einen Feind sieht sondern einen Kollegen, der genau den selben Job macht wie wir - und der vielleicht genauso hofft, dass wir ihn nicht böse anblinzeln sondern freundlich/neutral grüßen.

Dienstag, 7. Dezember 2010

Aus dem Verbandskästchen geplaudert - Mein erstes Mal

Ich war stolz ohne Ende, als ich die Zwischenprüfung geschafft habe und sich sogleich dutzende Kollegen angeboten haben mich auf dem Auto mitzunehmen um mir die große Welt des Rettungsdienstes zu zeigen. Heinz – anno dazumal noch mein großes Vorbild – lud mich spontan zu einem Dienst ein und so ging die Geschichte also los. Gleich als der erste Einsatz kam – ich hatte ja keine Ahnung – fuhren wir mit Blaulicht. Nie werde ich vergessen wie aufgeregt ich hinten im Patientenraum gesessen bin und mir ausgemalt habe welche Dramen sich da abspielen, was die Berufungsdiagnose „akute Pneumonie“ wohl in Wahrheit sein wird. Werden wir reanimieren? Werden wir einen Notarzt brauchen? Was hat denn das Wort „Bettenstation“ zu bedeuten?
Übrigens kamen damals noch diese kleinen Kassenzettelchen neben dem Datenfunk raus, mit blassblauer Schrift stand der Name der Patientin da, die Casusnummer, die Adresse. Diesen Zettel habe ich heute noch, weil der Leitstellendisponent einen lustigen Kommentar dazugeschrieben hat. Einige Monate später war ich mit genau diesem Leitstellendisponenten liiert.
Wir sind also hingedüst, ich habe mich ein bisschen zurückgehalten um nicht im Weg zu sein. Die Patientin hatte eine ausgeprägte Kachexie, bekam schwer Luft, war vorbestehend nicht ansprechbar. Heute weiß ich dass es sich hierbei um die klassische Bettenstation-Patientin handelt.
Wir haben trotzdem mit ihr gesprochen, haben ihr erklärt dass wir mit ihr nun ins Krankenhaus fahren und dass sie wohl in ein paar Tagen wieder zurück sein wird. Plötzlich plärrt ein Pfleger von der Seite „Na, ich glaube nicht dass die noch mal zurückkommt…!“. Ich konnte nicht glauben, was ich da gehört habe. Heinz hat daraufhin zurückgeschrien dass der Pfleger doch bitte seinen negativen Scheiß wo anders loswerden möge und das nicht vor der Patientin und dem andren Personal (inkl. uns) tun muss.
Damals hätte ich aufgrund des inspiratorischen Stridors schon den Notarzt gerufen. Und wegen des schlechten Blutdrucks, des unregelmäßigen Pulses, dem schlechten Allgemeinzustand – das waren damals für mich alles Indikationen einen Notarzt hinzuzuziehen. Durch einen Pflegemissstand hatte Frau N. auch noch einen Dekubitus. Ich war also fertig mit der Welt und hätte ohne zu Zögern jeder unfreundlichen Leitstelle erklärt, dass diese Patientin auf jeden Fall einen Notarzt benötigt. Heinz hat mich davon abgehalten und mir mit Nachdruck erklärt, dass ich mir die Leute immer ganz genau anschauen solle. Wenn eine Patientin seit Wochen oder Monaten nur noch liegt und keine Bewegung mehr macht verschwindet die Muskulatur. Wenn eine Patientin eine derartige Krankengeschichte mitbringt: Wie soll die denn einen guten Allgemeinzustand haben? Oder Vitalparameter die im Bereich der Norm liegen?
Wir haben das ganze Programm rausgehaun. Durchgehend liegend transportiert, Oberkörper hochgelagert, Sauerstoff über Maske in die alten Alveolen gejagt, zügig aber schonend ins Krankenhaus gefahren. Während der Fahr habe ich mehrmals versucht den Puls zu tasten, ob ich ihn eh noch finde, ob er eh noch da ist. Im Krankenhaus angekommen haben wir eine Bilderbuchübergabe gemacht, die Schwester war ausgesprochen nett und hat uns beim Umlagern geholfen, damit unsere Patientin schnell wieder in ein Bett kommt. Wir haben den Transportschein abgestempelt, Frau N. gute Besserung gewünscht und sind rausgegangen. Alen und Heinz haben vor dem Auto eine geraucht. Ich stand da und habe darüber nachgedacht was mit Frau N. weiter passiert. Ob sich jemand um sie kümmert, ob jemand bemerken wird wenn sich ihr Zustand verschlechtert, ob es für Frau N. noch eine Heilung gibt.

Frau N. ist damals tatsächlich nicht mehr in das Pflegeheim zurückgekommen. Sie ist zwei Tage nach unserem Transport im Krankenhaus verstorben.

Heute denke ich noch oft an Frau N. zurück, nicht nur weil ihr Transport den Weg für eine Beziehung geebnet hat, sondern auch weil ich damals sehr viel in dieser kurzen Zeit gelernt habe. Wer nie auf einer Bettenstation war, kann unmöglich eine gut durchdachte und kritisch hinterfragte Meinung zur Sterbehilfe haben. Oder zum Umgang mit alten Menschen. Heinz’ Reaktion ist ein großer Teil meiner Einstellung zum Umgang mit Patienten, Kollegen und Krankenhauspersonal zu verdanken und ich hoffe sehr, dass ich diese auch meinen Praktikanten vermitteln kann.

Montag, 6. Dezember 2010

Patientenübergabe im Krankenhaus – straight to hell

Für jeden Praktikanten wahrhaftig die Hölle: Man muss so tun als würde man sich unheimlich gut auskennen, und steht dann einem Arzt oder Pfleger gegenüber, der mit einer einzigen Frage ein totales Blackout und damit den Selbstwert-Systemabsturz herbeiführen kann.
Für den erfahrenen Freiwilligen die „Challenge accepted!“-Situation.
Für Hauptamtliche Kollegen eine tägliche Routine die sie kaum mehr als ein Schulterzucken kostet.
Tatsächlich ist es so dass fast jeder Sanitäter zumindest ein Spital hat, indem er nur höchst ungern die Übergabe macht. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Gut, dass man zu Dritt ist und sich so – zumindest theoretisch – abwechseln kann.
Nachdem ich monatelang von lieben Einschulern an der Hand genommen wurde und ihnen beim Übergeben über die Schulter schauen durfte, habe ich den Bogen ziemlich raus, wie man eine brauchbare Übergabe im Krankenhaus macht.

Man nehme:
1 komplett und richtig ausgefülltes Transportprotokoll
1 Sanitäter (falls keiner zur Hand ist, reicht auch ein Praktikant)
1 Patienten
Beliebige Anzahl von Personen, die im abgebuchten Krankenhaus tätig sind.
1 EL Höflichkeit
1 Prise Humor
5 EL „beim linken Ohr rein, beim rechten Ohr raus“

Der Sanitäter (resp. Praktikant) übergibt Transportschein und Patient an den Aufnahmearzt oder Pfleger. Hierbei gibt er Auskunft über Name, Alter, Grund für die krankenhäusliche Konsultation. Zu beachten ist natürlich der Workflow im jeweiligen Krankenhaus.
…kurzes Durchatmen, diese Zeit nutzen um zu überprüfen ob Arzt/Pfleger noch mehr wissen wollen.
Mehr: Vorgeschichte des Patienten, etwaige bereits erfolgte Krankenhaus-Besuche wegen ähnlicher Probleme, Medikamentenliste, Auskunft über präklinische Therapie, eigener Eindruck, aktueller Zustand des Patienten.

Wenn die aufnehmende Person dann ein murriges „Mhm!“ anklingen lässt,  ist das das Zeichen um
a) den Patienten in die Obhut des Krankenhauses zu verbringen und
b) den Transportschein abzustempeln. Sonst bezahlt die Krankenkasse nichts und das macht Patienten im Allgemeinen verständlicher Weise sehr unglücklich.

Fehlerszenario:
Irgendwas hat nicht gepasst und der Arzt ist richtig, richtig schlecht drauf. Jetzt nur nicht nervös werden. Vielleicht findet man den Fehler noch und kann ihn zumindest das nächste Mal berücksichtigen. Folgendes könnte also passiert sein:

# Nicht gegrüßt. Ist unhöflich. Da freut sich niemand.

# Hausgebrauch nicht eingehalten. Die meisten Ambulanzfoyers sind tapeziert mit Hinweisschildern, wo man läuten soll, wo der Patient hingebracht wird, wo man anmelden gehen muss… Einfach nach dem Schlagwort „Rettung“ suchen und lesen. Es wird einem ungeahnte Möglichkeiten eröffnen! 
KFJ - EV
Krankenhaus Hietzing - EV






















# Links mit rechts verwechselt.
Nachdem wir recht viele Körperteile in zweifacher Ausführung haben ist es unendlich wichtig dass die richtige Seite genannt wird, wenn dort eine Verletzung besteht. Ärzte finden das gar nicht lustig.

# Blödsinn geredet. Soll auch vorkommen, dass man sich irgendwie verzettelt hat und der Arzt schon sauer ist. Auch hier gilt: Ruhig bleiben, entschuldigen, nochmal von vorne beginnen oder ggf. einfach zum letzten Punkt zurückgehen.

# fachlich Mist gebaut: Ja, dann sollte man sich die verbale Ohrfeige auch noch auf die rechte Backe geben lassen und fürs nächste Mal daraus lernen. Und zwar WIRKLICH. Auch wenn es nicht so ein höfliches Feedback ist – einen Lerneffekt zieht es hoffentlich alle Mal nach sich.

# Aufnahmepersonal hat einen schlechten Tag. Ja, das soll vorkommen. In dem Fall nimmt man alle 5 Esslössel „beim linken Ohr rein, beim rechten Ohr raus“ auf einmal, lächelt, stempelt, grüßt zum Abschied und geht. Mehr kann man nicht tun.

Fazit:
Die Krankenhausübergabe wirkt oft gruselig, aber sie ist gar nicht so schlimm. Und wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück. Und falls mal was schiefgeht, hat man mit Sicherheit noch während des Dienstes eine zweite oder dritte Gelegenheit das zu verbessern.

Und: Die KHÜ ist keine reine Zivi-Arbeit. Vorallem ehrenamtliche Sanitäter neigen dazu, vermeindlich ungeliebte Aufgaben wie eben diese auf Zivis abzuwälzen. Das ist nicht „state of the art“ und es macht einen nicht zu einem besseren Sanitäter sich nie in die „Höhle des Löwen“ zu begeben.

Also, nur Mut!

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Der Rettungssanitäter – Homo erectus paramedicus

Die Aus-, Fort-, und Weiterbildung
Rettungssanitäter (RS) kann werden, wer seinen Zivildienst ableistet, oder eine Freiwilligenausbildung macht. Hierbei lernt man in rund dreihundert Stunden Theorie und Praxis das Leben im Rettungsdienst kennen. Hat man seine kommissionelle Prüfung bestanden, ist man auf die Welt losgelassen und darf Retten was das Zeug hält. Um hauptamtlich zu arbeiten muss man noch ein 40-stündiges Berufsmodul nachlegen, indem es vornehmlich um Rechte, Pflichten und Haftung geht. Innerhalb von zwei Jahren ab Prüfungsdatum (sog. „Stichtag“) muss man seiner Fortbildungspflicht von 16 Stunden sowie einer Aufschulung auf die aktuellen ERC-Richtlinien (European Resuscitation Council) am Halbautomaten-Defibrillator nachkommen.
Neben der Weiterbildung zum Notfallsanitäter mit verschiedenen Zusatzkompetenzen (Arzneimittelgabe, periphervenöser Zugang, Intubation) kann man auch noch Erste-Hilfe-Trainer, Rettungshundeführer, Wasserretter werden oder div. „Führungspositionen“ bekleiden. Es ist also für jeden etwas dabei. Leider neigen viele Sanitäter dazu, sich nicht entsprechend ihren Talenten weiterzubilden sondern belegen Kurse mit (in ihren Augen) vermeindlich coolen Inhalten. So sehe ich immer wieder gänzlich ungeeignete Kollegen in Ambulanzleitungspositionen, als Einsatzfahrer oder Erste-Hilfe-Trainer, denen schlichtweg jede dafür nötige menschliche Basis fehlt. Und besonders hier zeigt sich natürlich, dass das theoretische Fachwissen eine feine Sache ist – aber nur, wenn man sie auch anwenden kann.

Die Erscheinung
Der Rettungssanitäter trägt seine Uniform sauber und gepflegt, er trägt Sicherheitsschuhe und nur uniformkonforme Accessoires. Er hat seinen Fortbildungspass, seinen Sanitäterausweis und zumindest 2 Kugelschreiber sowie mindestens ein Paar Handschuhe eingesteckt. Wenn er besonderst motiviert ist, hat er einen Schreibblock für Notizen mit und natürlich trägt er die komplette Uniform (die aus Hose, Gürtel, Shirt/Hemd, Pullover/Weste und Anorak sowie die dazugehörigen Dienstgraddistinktionen besteht, denn andernfalls ist er unfallversicherungstechnisch nur grenzwertig abgesichert). Eine halbe Stunde vor Dienstbeginn kontrolliert er akribisch sein Material und tauscht es gegebenenfalls aus. Er meldet sich pünktlich einsatzbereit (EB) und fährt mit einer Mischung aus Vorfreude und Sorge zu seinen Einsätzen, wobei er sich an alle Gesetze hält.
Soviel zur Theorie.
In der Praxis sieht es ein wenig anders aus. Aufgrund der recht bescheidenen Materialqualität ist es schwierig die Uniformteile tatsächlich so sauber zu halten, dass man ihnen das Alter nicht ansieht. Auch das Tragen von nichtuniformkonformen Accessoires steht an der Tagesordnung. Verständlich, denn Schals, Mützen und all diese Dinge sind vom Träger selbst zu bezahlen. Das Tragen von Sicherheitsschuhen ist eine sehr heikle Angelegenheit. Grundsätzlich ist dies eine Dienstvorschrift und sollte vor allem im eigenen Interesse eingehalten werden. Da aber auch diese selbst erworben werden müssen und nicht automatisch bei der Grundausrüstung dabei sind, sieht man viele Convers, Sportschuhe, Sneakers und anderes, nicht ganz so festes Schuhwerk jeden Tag. Und ich selbst ziehe die bequemen schwarzen Sneakers auch den klobig-klotzigen Sicherheitsschuhen vor. Das Risiko dabei ist aber nicht zu verachten, denn wenn etwas passiert, das sich mit dem Nicht-Tragen von Sicherheitsschuhen begründen lässt, steigt die Arbeitsunfallversicherung aus (wenn man keine andere Krankenversicherung hat).
Die Materialkontrolle ist immer wieder ein Abenteuer. Ganz selten passt wirklich alles. Meist ist es so, dass dies oder das fehlt, kaputt ist – es aber auch keinen Ersatz dafür gibt, weil es nun mal ausgegangen ist oder das Budget derartige Anschaffungen eigentlich nicht vorsieht. Laut einer internationalen Studie sind österreichische Rettungssanitäter aber Meister im Improvisieren. Bleibt wohl alles eine Frage von Ursache und Wirkung.

Disziplinen im Rettungsdienst
# fachliche Kompetenz
Alle Teilgebiete der medizinische Komponente zu nennen würde schlichtweg den Rahmen sprengen. Aber wie sie natürlich vermuten lässt; es geht um Medizin im Allgemeinen und Anamnese, Diagnostik und präklinische Therapie im Besonderen.
Weiters sollte man mit allen Geräten und Materialien auf dem Auto umgehen und diese auf Funktionalität kontrollieren können.

# Navigation
Wer „Rettungsdienst“ spielt, sollte sich in seiner Stadt auskennen. Ich begrüße die Entwicklung sehr, dass die Leiter des Fahrdienstes (nahezu aller Organisationen) vermehrt Wert auf diese Kenntnisse legen. So sollte man mindestens die Adressen der Spitaler auswendig wissen bzw. wie man zu diesen kommt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dieser Prozess etwas dauert aber es ist machbar, selbst wenn man kein Autofahrer ist.

# Patientenkontakt
Hier kommen wir zu dem wunderschönen Punkt „Ruhe bewahren“. Als Sanitäter ist man der Moderator einer superakuten Stresssituation. Patient, Angehörige, Kollegen müssen sich auf mich und meine Entscheidung verlassen können. Und so wie ich mich verhalte, verhält sich auch meine Umwelt. Die Praxis zeigt: Nicht überall wo „Sanitäter“ draufsteht, ist auch Erste Hilfe drin. Um manchen Praktikanten habe ich mir mehr Sorgen gemacht als um den Patienten selbst und so kann ich nur nochmal betonen: Chill!
Wir haben alle gelernt dass wir nicht in die Wohnung oder zum Unfallort kommen und in Panik ausbrechen, sondern dass wir uns zuallererst einen Überblick verschaffen. Was ist passiert, wie sind die Umstände, worauf muss ich achten, brauche ich weitere Kräfte oder kann ich das Geschehnis mit meiner Mannschaft bewältigen? Und das wichtigste: Wo sind die Versicherungsdaten?

# hinten sitzen
Die wichtigste Disziplin, dafür erhält man die höchste Punktezahl im imaginären Score. Während der Fahrt zum Krankenhaus beim Patienten zu sitzen ist manchmal sehr unbeliebt, aber es gehört zum Rettungsdienst! Das ist unser gottverdammter Job. Wer einem sich übergebenden Patienten nicht die Nierentasse halten kann oder wem selbst immer hinten schlecht ist, der gehört nicht in ein Rettungsauto. Und je schwieriger oder anstrengender der Patient ist, desto lieber sitze ich hinten. Wenn es dann kein Trinkgeld (sog. „Maut“) gibt, gibt es wenigstens eine tolle Geschichte zu erzählen.  

# soziale Kompetenz
In einem anderen Kapitel schon erwähnt: Soziale Kompetenz ist das um und auf. Ich werde nun nicht noch mal erwähnen dass dazu Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Höflichkeit, Toleranz und Respekt zählen. Es sei hier lediglich noch mal erwähnt, dass diese Punkte sehr wichtig sind und für die Arbeit im Team unerlässlich.

# Dokumentation und Organisation
Ich liebe Dokumentation. Seitenweise kann ich Befunde über eine kleine Schnittwunde am linken Ringfinger schreiben, als würde ich die Geschichte eines Dschungelabenteuers wiedergeben. Mit dieser Leidenschaft stehe ich aber ziemlich alleine da. Viele Sanitäter lassen sich von langen Formularen und freien Textfeldern abschrecken und sind wir mal ehrlich: Wer hat schon jemals gelernt wie sich ein schöner Befund schreiben lässt? Grundsätzlich sollte immer so dokumentiert werden, dass man auch ohne den Patienten zu sehen sofort weiß, was los ist.
Was die Organisation anbelangt: Die ist etwas weniger unbeliebt. Dazu zählen das Abbuchen eines Bettes über die Leitstelle und die Übergabe im Krankenhaus. Hier zeigt sich die medizinische Kompetenz ganz deutlich, denn es beginnt schon damit dass ich entscheiden muss auf welche Abteilung wir fahren müssen. Im Krankenhaus muss ich der Schwester und dem Aufnahmearzt dann erzählen, warum wir hier sind und meinen Stempel einfordern. Die Übergabe nimmt aber ein eigenes Kapitel ein.

Fazit: Man sollte alle Disziplinen beherrschen, ungeachtet dessen ob sie einem gefallen oder nicht. Es ist unser aller Job, egal ob ehrenamtlich oder hauptberuflich. In dem Moment, wo wir eine Mannschaft stellen, interessiert niemanden mehr die Intention hinter dem Tragen der Uniform. Hier zählt Leistung, Leistung, Leistung.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Frauen und Rettungsdienst



Den Männern gehört die Rotlichtszene, den Frauen die Blaulichtszene.
("Liesi")


Frauen im Rettungsdienst
Eigentlich eine gute Sache, eilt uns Frauen doch der Ruf voraus, besonders einfühlsam und sozial zu sein. Außerdem, in Zeiten der Gleichberechtigung, dürfen Brüste und Vagina keine Barriere darstellen. Es ist nun also wirklich nicht unpraktisch eine Frau dabeizuhaben. Gerade bei Vergewaltigungs-Geschichten, häuslicher Gewalt oder schwangeren Patientinnen ist es immer gut die Sanitäterin dafür abzustellen. Grundsätzlich gibt es auch hier wieder zwei Typen von Frauen, die sich von der Uniformsache anziehen lassen.
Die, die wirklich arbeiten wollen – und die, die es genießen unter so vielen Männern zu sein und ein bisschen den „Schlumpfinen“-Bonus auszuspielen.
Die erstgenannten genießen den gleichen Respekt wie jeder andere Kollege. Letztgenannte werden über ihren Schlumpfinenstatus nie hinauskommen. Das sind dann jene Frauen, die auf gegenderte Berufsbezeichnungen wert legen, eigene Aufenthaltsräume einfordern und auch sonst versuchen, jede Menge Extra-Wünsche durchzusetzen. Da ich selbst eine Frau bin, darf ich mir diese Meinung ohne Umschweife erlauben: Ich finde es furchtbar wenn ich sehe dass Frauen das Tragen von Patienten von vornherein verweigern oder körperlich belastende Arbeiten ihren männlichen Kollegen abgeben. Niemand kann erwarten dass jeder alles tragen kann und es gibt auch zivildienstleistende Kollegen die einfach zu schmächtig sind. Aber – verdammt noch mal – wir sind ein Team! Und wenn da von Seiten der weiblichen Kollegen nicht mal die Bemühung da ist, die Arbeit auch als Team zu erledigen, wo soll das dann hinführen? Ein solches Verhalten ist Gift für jede bisherige Leistung in Sachen Gleichberechtigung. Den Respekt und die Achtung meiner Kollegen bekomme ich nicht, indem ich sie zwinge mir „RettungssanitäterIN“ auf die Uniform zu schreiben, sondern indem ich zumindest das gleiche leiste wie sie.

Frau vom Rettungssanitäter
Als Frau eines Rettungssanitäters hat man es nicht leicht. Entweder muss man sich ständig Geschichten von Patienten, Ärzten und Einsätzen anhören, oder man muss damit leben dass über die Arbeit zu Hause nie gesprochen wird. Eine strikte Trennung ist jedoch kaum möglich, sind doch viele Sanitäter privat auch sehr mit der Materie verwachsen, oder zumindest mit ihren Kollegen in Kontakt. Man trifft sich auf Parties (oder besucht die gutaussehende Krankenschwester nach Dienstschluss, natürlich ohne Gattin - was Liebschaften angeht ist man nicht besonders „organisationsloyal“). Weibliche Sanitäter sind hiervon übrigens absolut nicht ausgenommen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Es gibt ihn natürlich auch, den anständigen, braven Sanitäter, der seine Holde nicht betrügt und im Nachtdienst nicht den Prostituierten nachstiert. Aber über diesen Typus lässt sich nicht so gut schreiben.
Wenn man die Frau eines Sanitäters ist, darf man nicht heikel sein und muss mehr oder weniger mit all diesen Dingen dealen können. Je weniger Ansprüche man stellt, desto leichter macht man es sich selbst. Nach meiner Erfahrung funktioniert nur die Version „Ganz oder gar nicht“ – wo man als Frau entweder selbst in der Materie Medizin/Soziales drin steckt, oder überhaupt nichts damit zu tun hat. Ein Mittelding ist für beide Partner auf Dauer unbefriedigend. Ausnahmen bestätigen die Regel. Für jene Frauen, die absolut nichts damit am Hut haben, nenne ich hier ein paar Empfehlungen, eben nach meiner Erfahrung. Garantie auf Erfolg gewährleiste ich jedoch nicht.

# Seien Sie tolerant. Tolerant gegenüber schlechter Laune, schweigsamer Apathie, ausufernder Räubergeschichten und vulgärer Cholerik, miserablen Schlafrhythmen und ungünstiger Schichtdiensteinteilung.

# Lassen Sie sich aber auch nicht verarschen. Stellen Sie Regeln oder Bedingungen auf, damit auch Sie nicht untergehen. Sanitäterfrauen müssen zwar eine hohe Toleranzschwelle mitbringen, haben aber auch ein Recht auf ihre eigene Lebensqualität und sind nicht die emotionalen Mülleimer ihrer Partner. Aufgestellte Regeln müssen eingehalten werden. Allerdings von beiden. Beispiel: Ein gemeinsamer Abend die Woche wo man sich einen Film ansieht und nicht über die Arbeit redet und einfach nur ein normales Pärchen ist.

# Kein Ultimatum. Zwingen Sie Ihren Mann niemals sich zwischen Ihnen, der Arbeit, den Kollegen oder sonst was zu entscheiden. Berufssanitäter – also Menschen, die sich zum Sanitätsdienst per Definition berufen fühlen – werden sich nicht über derlei emotionalen Druck freuen. Und ob Sie dann mit den Folgen leben wollen, stelle ich so oder so in Frage.

# Machen Sie sich nicht von ihm abhängig. Sie werden oft alleine sein, bewahren Sie daher eigene Hobbies und Interessen, denen Sie nachgehen können während ihr Liebster Dienst hat. Schichtdienste sind für gemeinsame Unternehmungen nicht förderlich.

# Sorgen Sie für Entspannung. Dies fängt beim Essen an, da die meisten Sanitäter nicht die Möglichkeit haben sich während des Dienstes ausgewogen zu ernähren – aber zwangsbeglücken Sie ihn auch nicht. Die Quintessenz dieses Absatzes ist: Wenn er sich freut nach Hause zu kommen, haben Sie gewonnen. Mit welchen Mitteln Sie dies erreichen bleibt ganz Ihnen und der „maslowschen Bedürfnispyramide“ überlassen.

Mag sein dass das nun sehr sexistisch und ganz und gar nicht modern und aufgeschlossen ist, aber das ist nun mal die Realität. Dreieinhalb Jahre Beziehung mit einem Berufssanitäter der Gemeinde Wien haben mich dies gelehrt (und ich zähle zu den Glücklichen, die selbst in die Notfallmedizin verliebt sind und sich für Räubergeschichten und cholerische Anfälle über unfähige Heimhilfen begeistern können und das ganz und gar nicht befremdlich finden).

Montag, 29. November 2010

Der ehrenamtliche Sanitäter

Unser Rettungssystem wäre ohne ehrenamtlich mitarbeitende Menschen nicht vorzustellen. Man muss diesen Menschen großes Lob aussprechen, dass sie ihre Freizeit in den Dienst der Allgemeinheit stellen.
Aber man muss auch kritisch hinterfragen, ob die Ehrenamtlichkeit alles rechtfertigt. Vereine und Organisationen mit Uniformen ziehen bestimmte Menschentypen magisch an. Und nicht jeder Mensch hat die Befähigung ein guter Sanitäter zu werden oder das Geschick mit anderen Menschen (vor allem in Stresssituationen) zu interagieren. Grob zusammengefasst habe ich für mich vier Kategorien von ehrenamtlichen Sanitätern definiert, in die ich mich und meine Kollegen einteile:

Der hilflose Helfer
Er bekommt weder einen Draht zu Kollegen noch zu Patienten. Medizinisch ist er auch nur soweit interessiert, wie es unbedingt notwendig ist. Aber er genießt das Mitschwimmen in dieser Uniform-Gemeinschaftssuppe. Auf Anweisung macht er alles was man ihm sagt und er ist froh, wenn er nicht selbst Entscheidungen treffen muss. Schwimmt mit, fällt dabei nur auf wenn er Fehler macht.

Der Rettungsrambo (auch „Wanna-be-Dr.House“):
Ein Theoretiker wie er im Buche steht. Er rezitiert das SanGesetz und die Schulungsunterlagen ungefragt und oft, ignoriert Anweisungen von seinen Kollegen. Über die Bedürfnisse des Patienten weiß er selbst am besten Bescheid und jagt an therapeutischen Maßnahmen alles raus, was er jemals irgendwann gelernt hat. Was ihm an Erfahrung fehlt, macht er mit Größenwahn wett.

Der Sozialarbeiter:
Medizinisch nicht so sehr interessiert, mag aber die Action und das Zusammensein mit den Kollegen. Betreut die Patienten vor allen Dingen psychisch und kennt innerhalb einer zehnminütigen Autofahrt deren Lebensgeschichte. Nicht selten auch außerhalb des Dienstes ein guter Freund in der kollegialen Gemeinschaft.

Der Paramedic:
Er ist sowohl menschlich wie auch medizinisch eine wunderbare Ergänzung für das Team. Hauptamtliche Kollegen respektieren und schätzen seine Leistung, ehrenamtliche Kollegen freuen sich mit ihm Dienst zu machen. Man kann sich in nahezu jeder Hinsicht auf ihn verlassen und darf darauf vertrauen, dass er ordentlich und akkurat arbeitet. Er kompensiert die Schwächen des Teams mit seinen Stärken.

Mir ist es ein besonderes Anliegen, sich selbst und seine Rolle im Rettungsdienst immer kritisch zu hinterfragen. Letztlich geht es im Ernstfall doch um ein Menschenleben – vielleicht sogar um das eigene – und da muss der Sanitäter einfach wissen was er kann. Die Praxis zeigt natürlich jeden Tag ihre bösartige Fratze, wenn man Kollegen mitzieht, die körperlich oder psychisch nicht geeignet sind, die medizinisch eigentlich gar nicht interessiert sind, die letztlich einen vollkommen fehlgeleiteten Hang zur Selbstdarstellung zeigen. Aber so ist das nun mal und das ist die bittere Realität. Rette sich wer kann… Glücklicher Weise überwiegt aber die Zahl der von mir benannten „Paramedics“ und die Namen der Rettungsrambos und Hilflosen Helfer kennt man recht schnell und kann deren Engagement entsprechend leiten. Denn rauswerfen will man eigentlich niemanden. Schließlich ist man ja sozial und schließlich benötigt man ja auch eine gewisse Quantität um sich damit in der Öffentlichkeit zu brüsten.
Manch einer sagt „Ich bin ehrenamtlich, ich kann machen was ich will und mir kann niemand was anhaben!“ – ja, selbstverständlich. Aber bitte nicht im Rettungsdienst. Ein Minimum an Disziplin muss eingehalten werden, denn sonst wäre es besser, der ehrenamtliche Sanitäter verschont die Wagenmannschaft von seiner Mithilfe. Bei der Feuerwehr gilt es, dass jeder Feuerwehrmann sein Leben in die Hände seiner Kollegen legen und sich darauf verlassen kann, dass ihn niemand im Stich lässt.
Diese Gewissheit hat der Rettungssanitäter nicht. Wenn er sein Team nicht kennt sind die nächsten zwölf Stunden nach Dienstantritt eine ungewisse Zeitspanne. Und zwölf Stunden mit einem undisziplinierten ehrenamtlichen Sanitäter auf einem Auto zu verbringen ist eine sehr lange Zeit, in der die eigenen Nerven bis aufs Maximum strapaziert werden.

Sanitätsknigge

In diversesten „infrastrukturerhaltenden“ Organisationen – vor allem wenn sie staatlich sind – geht es recht derb zu. Sätze ohne Schimpfworte hört man selten. Ructus und Flatulenz ernten tosenden Applaus, Geruch und Klang werden gerne analysiert. Ehebruch gilt als Kavaliersdelikt und wird mit „ist doch nur Sex“ abgetan. Stationen, Autos, Material und Schwesternaufenthaltszimmer in Krankenhäusern könnten Geschichten erzählen, die man sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen würde und die eine hervorragende Vorlage für Pornos abgeben würden.
In Blaulichtorganisationen gilt es, die Hackordnung einzuhalten. Wer sich mit Hierarchien nicht anfreunden kann, sollte sich besser ein anderes Hobby suchen. Natürlich bleibt ein hochrangiger Idiot immer noch ein Idiot und sobald er in Privatkleidung vor einem steht ist er nicht wichtiger als ein Buschauffeur oder irgendein Passant. Aber innerhalb der Dienstzeit ist der Dienstgrad unbedingt einzuhalten und zu respektieren. Neunzig Prozent der Arbeit in Blaulichtorganisationen ist die Klärung von Haftungsfragen. Daher ist Anweisungen von diensthöheren Personen unbedingt Folge zu leisten, denn die haften für alles, was passiert. Soviel Professionalität sollte jeder mitbringen, um mit diesem Umstand fertig zu werden. Auch hier gilt wieder: Kreative Selbstverwirklichung ist eine wunderbare Sache, aber nicht im Rettungsdienst. Egal ob ehrenamtlich oder nicht.

Jeder (an Dienstjahren) junge Kollege muss dies mit- und durchmachen, dann wird er auch schnell in die Gemeinschaft aufgenommen. Die nachfolgenden Eigenschaften begünstigen diesen Prozess.  

# Höflichkeit: Teamintern vermeintlich unwichtig, aber man unterschätzt die sensible Ader der Sanitäter. Grüßen, bedanken (wobei hier nicht zwingend ein „Danke“ von Nöten ist sondern auch ein „geil“, „leiwand“, „passt“ die erwünschte Bestätigung bilden kann), ein bisschen zuvorkommend sein, klare Antworten geben und die Kollegen davon in Kenntnis setzen, wenn man das Auto, den Raum oder das Team für einen längeren Zeitraum als eine Minute verlässt. Auch dies hat wieder einen haftungstechnischen Hintergrund und ist für die Zusammenarbeit einfach wichtig. Es macht einen Unterschied ob ich mich kurz entferne weil ich auf die Toilette gehe oder weil ich Material austausche und das Auto damit auch nicht einsatzbereit ist (was im Übrigen auch der Leitstelle mitzuteilen ist).

# Kritikfähigkeit: Kritik kann unsere Freundin sein, selbst wenn sie uns nicht gefällt. Gerade als junger Kollege sollte man diese durchaus einholen, wenn sie nicht von alleine kommt. Nur so kann man über sich hinauswachsen und besser werden.
Wichtig:
- Kritik sollte in einem vertrauten Kreis stattfinden. Nicht vor Patienten, der Leitstelle, Krankenhauspersonal oder den Kollegen im Mannschaftsraum. Ich persönlich gebe meine Kritik gerne nach dem Einsatz ab, wenn man sich wieder im Auto einfindet und auf den nächsten Einsatz wartet.
- Für Kritik sollte man sich nicht rechtfertigen. Wozu auch, es ändert ja nichts mehr daran. Wenn der Kritiker den Grund dafür wissen will, fragt er ohnedies nach. Aber bis dahin sollte man die Kritik einfach mal annehmen ohne sie zu verleugnen.
- Junge Kollegen dürfen ihren Praxisanleiter oder Einschuler ebenso kritisieren. Sie dürfen sich nur nicht erwarten dass dieser sein Verhalten sofort ändert oder sich gar bedankt. Aber er wird es sich – sofern entsprechend höflich formuliert – gewiss nochmals durch den Kopf gehen lassen.

# Diskretion: Patientendaten sind zu schützen. Direkt nach dem Einsatz der besten Freundin per Handy zu erzählen, wie geil und wie toll usw. das alles war, wirkt wenig professionell. Und auch gerade in Zeiten von Social Network und Blog ist es nicht angebracht dies öffentlich breitzutreten.
Mal ein bisschen aus dem Nähkästchen (bzw. Verbandskästchen) zu erzählen ist kein Problem, aber stetiges Betonen der eigenen Wichtigkeit und was man nicht alles geleistet hat ist absolut unerwünscht und bringt in Summe bei den Kollegen nur ein genervtes Naserümpfen.

# Disziplin: auch Arbeiten zu machen, die einem nicht gefallen oder sogar sehr anstrengen. Irgendwer muss es ja machen, und im Zweifelsfall macht es immer der Praktikant, denn der muss es lernen.

# Respekt: Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück.
Patienten, Zivildiener, Kollegen, Krankenhauspersonal, Ärzte, die Putzfrau die den Mannschaftsraum aufwischt: Jeder hat Respekt verdient, und will man selbst respektvoll behandelt werden, muss man sich eben auch so verhalten.
Im Rettungsdienst heißt Respekt aber auch, dass ich die Ungleichberechtigung akzeptiere.
Wenn der Praxisanleiter Fotos von der Mannschaft macht, heißt das noch lange nicht dass der Praktikant das auch darf. Wenn der Praxisanleiter raucht ist dies kein Freibrief für den Praktikanten zu rauchen. Auch hier bietet es sich an kurz nachzufragen ob man auch rauchen darf oder ob noch etwas zu tun ist (z.B. den Tragesessel reinigen, Material nachfüllen, etc. ).

Es gibt natürlich noch weit mehr Eigenschaften die ich mir persönlich wünsche, aber das sind nach meiner Definition die Wichtigsten. Berücksichtigt man diese simplen Punkte wird man sich recht bald inmitten einer rülpsenden und furzenden Partie finden, die einen ermuntert ruhig auch mal einen Schluck Cola zu nehmen und das Alphabet aufzustoßen.

Sonntag, 28. November 2010

Prolog


Gewidmet:
Vor allen Dingen meiner allerersten Patientin Frau N., die vermutlich einige Tage nachdem ich sie transportiert habe, an ihrer Lungenentzündung verstorben ist. Außerdem den vielen anderen Patienten, an denen ich üben durfte, die mir ihre Lebensgeschichte erzählt haben, die mich beschimpft, bespuckt, begrabscht und angekotzt haben, die mir Trinkgeld gegeben haben und die sich partout nicht helfen lassen wollten…

Danke an meine Kollegen und Freunde.


Prolog
Rettungsdienst ist knallhart. Wer im Rettungswesen arbeitet weiß, dass es mehr ist als nur in seiner Freizeit ab und zu dem Patienten die Hand zu halten und sich dessen Lebensgeschichte anzuhören. Und es ist weniger als Baywatch und Emergency-Room. Rettungsdienst ist Scheiße, Pisse und Kotze. Und ab und zu ein bisschen Blut. Rettungsdienst ist fette Menschen aus dem 5 Stock eines Altbaus ohne Lift in einem kaputten Stiegenhaus runterzutragen und sich dabei mit einer an Manie grenzenden Leidenschaft den  Rücken zu ruinieren. Rettungsdienst ist dort draufzugreifen wo kein normaler Mensch mehr hinfassen möchte. Im Rettungsdienst oder anderen Organisationen wie der Feuerwehr, der Polizei und ähnlichem zu arbeiten, hat irgendwie etwas von „behind the scenes“ sein. Wer seine Uniform trägt darf sich auf nichts verlassen und muss mit allem rechnen. Vorallem aber damit, dass es schon nicht so schlimm sein wird.
Mit den nachfolgenden Sätzen, Zeilen und Seiten möchte ich eine Lanze für unser doch – alles in allem – gutes Rettungssystem brechen und für die Menschen, die Tag für Tag ihr eigenes Leben hintan stellen um den Leuten da draußen dasselbige zu erleichtern ein gutes Wort einlegen. Denn auch wenn sie unfreundlich sind: Sie machen ihren Job. Ohne Rücksicht auf Verluste.
 Abschließend möchte ich noch betonen: Es gibt so viele Sanitäter, die so viel mehr zu erzählen hätten als ich. Leider fehlt den meisten von ihnen aber wohl die Zeit und die Ruhe ein Buch zu schreiben. Sofern sie dieses Buch lesen hoffe ich, dass ich stellvertretend für sie den einen oder anderen Satz niedergeschrieben habe. Darüber hinaus ist dieses Buch meine Liebeserklärung an die Notfallmedizin, mit all ihren grausigen und bösartigen, lustigen und berührenden Seiten. Rettungsdienst ist meine Leidenschaft und ich kann mir nicht vorstellen  die Uniform jemals an den Nagel zu hängen. Niemals.  Nachfolgend werde ich auf gegenderte political correctness verzichten. Wir sind hier nicht auf einem bunten Ponyhof sondern bei der Rettung, wo es in erster Linie um geschlechtsneutrale Leistung geht. Und danach kommt lange nichts.