Sonntag, 20. März 2011

Aus dem Nähkästchen: Drama, Baby!

Es gibt Einsätze, die sind eigentlich nicht spektakulär. Man behält sie dann jedoch als „mühsam“ in Erinnerung, weil die Rahmenbedingungen einen vor unerwartete Herausforderungen stellen. Gestern war so ein Einsatz. Nach drei sehr lieben, alten Menschen, die wir nach Hause gebracht haben, kam der erste Einsatz mit Blaulicht, Richtung 1. Bezirk. Im Schnellrestaurant wäre ein Mädchen kollabiert, das Navi mit der Stimme von Marcel Reich Ranicki hat uns zügig zum Berufungsort gebracht. Samstag abends ist es besonders mühsam sich durch die Massen zu kämpfen, die sensationsgierig mit ihren Fotohandys jeden Moment der Tragödie festhalten wollen, damit sie ihren ebenso sinnentleerten Freunden am nächsten Tag etwas zeigen und die Bedeutungslosigkeit ihres eigenen Lebens etwas überspielen können. So sind wir also nach dem Aussteigen gleich von einem Mädchen empfangen worden, das uns zwar nicht verraten hat wo unsere Patientin ist, jedoch dass sie nicht ansprechbar sei und ein Arzt dabei wäre. So so, ein Arzt. Man darf gespannt sein. Grundsätzlich bin ich – besonders wenn ich im Dienst bin – immer auf Seite der Ärzte. Was die präklinische Situation angeht bin ich mittlerweile jedoch sehr kritisch. 2008 trug es sich zu, dass ich privat zu einem Kollaps gestoßen bin und da mir die Situation etwas komisch vorkam, habe ich die vier Menschen, die sich um die Kollabierte tummelten gefragt, ob ich helfen könne, da ich Sanitäterin sei. Ich habe den Satz noch nicht beendet, da stellt sich eine der vier Ersthelferinnen als Ärztin vor, erklärt mir die Kollabierte wäre kreislaufstabil und eben nur kollabiert. Zwanzig Sekunden vergingen, da bemerkte ich die Zyanose an den Fingerspitzen und dass die junge Frau, die da am Boden lag, eine deutliche Schnappatmung hatte. Auf meine Aufforderung sie schnellstmöglich in ein Ambulanzzelt zu bringen hat sich wieder die Ärztin eingemischt und gemeint, dass das nicht nötig wäre und niemand die Patientin bewegen darf. Lange Geschichte kurz zusammengefasst: wenige Augenblicke später war sie mithilfe der Sanitäter vor Ort in einem Ambulanzzelt und wurde sofort reanimiert.
Nun war ich also gespannt was dieser Arzt an Vorarbeit geleistet hat. Endlich haben wir die Patientin – repräsentativ genau im Schaufenster gelagert, damit alle die vorbeigehen einen guten Blick auf sie haben – gefunden. Sie war in der Tat nicht ansprechbar, laut Arzt seien die Vitalparameter in Ordnung, wir sollen gleich losfahren, einen Zugang legen und eine Ringer-Lösung anhängen da die Patientin hochdosiert Flüssigkeit braucht. Wohin wir fahren und ob er mitfahren kann und…
„STOP! - Verzeihen Sie, aber würden Sie uns mal unsere Arbeit machen lassen? Ich weiß nicht wer sie sind, ob sie wirklich Arzt sind und ich bin nicht bereit hier inmitten zig Schaulustiger Leute zu arbeiten. Wir hauen die Patienten zuallererst mal in unser Auto, dann sehen wir weiter.“
Meldet sich irgend ein Kerl dazwischen und meint „Moment mal, was heißt, sie ‚hauen‘ die Patientin in ihr Auto?“. Oh. Na toll gemacht, Manon. Ok, winde dich da mal raus…
„Nun, das heißt dass wir sie einfach schnappen und ohne Trage in unser Auto transportieren da die Situation ein Zufahren mit Trage unnötig kompliziert macht. Sie haben aber natürlich vollkommen Recht dass diese saloppe Ausdrucksweise absolut nicht angebracht ist. Thomas, würdest du mir helfen?“
Thomas und ich haben die kleine Verena geschnappt und ins Auto verfrachtet. Hinter uns wieselte der Arzt her. „Haben Sie schon einen Zugang gelegt?“ – „Nein“ antworte ich und setze an die Tür zu schließen um die restlichen Pappnasen von draußen fern zu halten, die ihre Köpfe wohl am Liebsten in den Auspuff gesteckt hätten, wenn die Chance bestünde dass sie dort einen besseren Ausblick genießen würden. „In welches Spital fahren Sie? Wann stechen Sie den Zugang?“ – wahrheitsgemäß antworte ich „Das weiß ich noch nicht und wir haben keinen Arzt mit und sind selbst alle nur Rettungssanitäter und daher nicht berechtigt Zugänge zu stechen.“ – „Na, dann stech‘ ich ihn!“ schnauft unser Doktor genervt und setzt an mich zur Seite zu schieben.  Ahja. Na klar. Und einen Kehlkopfschnitt machen wir auch noch damit die Patientin besser beatmet werden kann, oder was?“
„Immer langsam, da kann ja jeder daherkommen. Können Sie sich ausweisen?“ – Nochmal genervt in die Richtung seiner Freundin, diese soll ihm seinen Ärzteausweis reichen. „Zufrieden?“ fragt er mich in einem Ton der mir wohl suggerieren sollte ich würde in seinen Augen unendlich inkompetent sein. „Ja, enorm…“ antworte ich ebenso genervt, bitte Thomas alles herzurichten und rufe in der Leitstelle an um eben ein Bett abzubuchen und nachzufragen wie ich mich verhalten soll wenn uns ein Arzt zuläuft und der sich nicht abhalten lässt etwas zu machen. An dieser Stelle möchte ich betonen: Verena ging es den Umständen entsprechend gut. Sie hat sich übergeben, hat kurz artikuliert, dass ihr kalt wäre und auf die Schmerzreizklassiker reagiert. Herz, was willst du von einem jungen, betrunkenen Menschen mehr? Der Arzt hatte jedoch keine Gnade mit Verena. Es MUSS ein Zugang in das unterkühlte Ärmchen. Jetzt. Oder lieber schon vor 10 Minuten. Während ich von draußen zusehe ob Thomas Hilfe benötigt und mit der Leitstelle spreche, schleicht einer dieser Party-Fotografen um das Auto herum und hält die Kamera auf den Patientenraum. Es sind Momente wie diese, in denen ich es sehr genieße die Uniform zu tragen und wieder weiß, warum ICH das alles mache: Weil ich Schaulustige hasse. Ich stoße den Fotografen beiseite, schreie ihn an dass er sich vom Acker machen soll und weise meine Umwelt ganz deutlich darauf hin, dass dieser lüsterne Mensch hier gerade im Begriff war, die Privatsphäre unserer Patientin zu verletzen und uns bei der Arbeit zu stören. „Schleich dich“ brülle ich hinterher und wende mich sogleich wieder dem Leitstellendisponenten zu, der mich mahnt ganz genau die Daten des Arztes zu notieren. Luki hält sich nobel zurück, kümmert sich um die Freundin von Verena und beruhigt diese. „Es geht ins Wilhelminenspital“ krakele ich ziellos in das Auto. Luki nickt, der Doktor fragt „Warum nicht in das AKH?“ – Luki: „weil wir auf das Auswählen der Betten keinen Einfluss haben. Vermutlich ist das AKH zu“.
Ich will hinten zusteigen und stelle fest: Kein Zugang. Verena Ärmchen ist ungestochen. „Ok, möchten Sie jetzt noch einen Zugang legen oder nicht?“ – „Auf jeden Fall, aber fahren wir erstmal los!“ antwortet der Doc – „Während der Fahrt werden Sie auf keinen Fall einen Zugang stechen. Entweder jetzt oder garnicht.“ Genervtes Schnaufen vom Doc. Den Stauschlauch wickelt er um Verenas Oberärmchen, Verena zeigt Abwehrreaktionen und beugt den Arm wieder Richtung Körper. Doc bekommt große Augen und stammelt  „Ui, dann können wir keinen Zugang legen“. „Miaas kaaaaaaaaahlt…“ stammelt Verena und erbricht. „Luki, von uns aus geht’s“ sage ich nach vorne. Wir wollen gerade losfahren, da klopft des Arztes Freundin ans Fenster. „Sollen wir nachkommen oder zuhause auf dich warten?“ – Doc, wie immer genervt „zu Hause warten natürlich. Frag nicht immer so Schatzi, wir müssen jetzt wirklich fahren!!!“.
Während der Fahrt klart Verena etwas auf, erbricht neuerlich, fragt nach einem Taschentuch. Thomas‘ Handling ist super, obwohl ich sonst am liebsten alleine arbeite bin ich froh ihn dabei zu haben. Luki fährt schnell und schonend. Es rennt super. Ich streiche Verena über die von Schmutz und Alkohol durchgeweichten Haare. „Gleich sind wir da, Mäuschen!“ sage ich. Verena schnarcht zurück.  Im WSP angekommen empfängt uns der leere Anmeldebereich. Weit und breit keine Schwester, kein Arzt der sich für uns zuständig fühlt. Unzählige andere Patienten füllen den Warteraum. Minuten vergehen, in denen ich stetig Verena anspreche und die Schmerzreizklassiker an ihr ausprobiere, um zu eruieren ob sich ihr Zustand irgendwie ändert. Der Doc redet immer noch davon, dass er gerne einen Zugang legen würde, wir beachten ihn nicht mehr. Endlich kommt eine Schwester, ich mache meine Übergabe, der Oberarzt der Abteilung kommt hinzu. Ich hole nochmals aus, setze nochmals bei den Punkten an die er nicht mitbekommen hat. Unser Doc, der mittlerweile gesagt hat er wäre Facharzt in der Uniklinik mischt sich ein und reißt das heilige Ritual der Übergabe an sich. Ich bin satt. Die Schwester meint „Naja, eigentlich haben wir kein Bett mehr frei!“. Noch mehr satt. „…und eigentlich gehört sie auf eine Toxikologie und nicht zu uns!“. Ich kann mich nicht mehr halten: „Das ist mir durchaus klar, aber ich muss mich an die Vorgaben halten und kann für diese Patientin nur dieses Bett abbuchen. Wenn Sie uns nicht nehmen sagen Sie’s bitte bald, ich bin nicht gewillt noch weitere Zeit verstreichen zu lassen ohne eine Versorgung für sie zu bekommen.“ – Ganz davon abgesehen dass ich mir mit meiner Dienstzeit auch besseres vorstellen könnte als auf dieser Station zu stehen und deren Gemoser anzuhören. „Nein, wir nehmen Sie eh. Zimmer 1 bitte.“ In der Zwischenzeit musste ich feststellen dass wir bereits den nächsten blauen Einsatz aufgelegt bekommen haben, obwohl wir noch den Status „Am Abgabeort“ quittiert haben und von der Einsatzbereitschaft für den nächsten Rucker noch einen Stempel entfernt waren. Nachdem wir endlich alles erledigt hatten und uns noch von der Schwester anmaulen lassen konnten, warum wir ohne Notarztbegleitung gekommen sind, standen wir draußen und haben das vollgekotzte Auto gereinigt. Unser Doc gesellt sich dazu und fragt salopp: „Na, fahrt ihr zufällig Richtung innere Stadtund könnt mich irgendwo rausschmeißen?“

Samstag, 12. März 2011

Bitte nicht füttern!


Seit zwei Wochen bin ich nun wieder hauptamtliche Rettungssanitäterin. Und ich liebe es. Weil ich aber ein Mädchen bin und Mädchen immer schauen ob ihr Arsch zu dick ist, und ich diese Frage gegenwärtig leider bejahen muss, bin ich zu folgendem Schluss gekommen: Sich halbwegs ausgewogen während des Dienstes zu ernähren ist fast unmöglich. Zumindest, wenn man ein paar Ansprüche an seine Ernährung stellt.
Ich erinnere mich gerne an die legendäre Folge von „Österreich isst besser“, in der die Sasha Wallewasweißich bei einem Sanitäter des Roten Kreuzes war. Viel Lärm um nichts, ein Jahr später habe ich den Kerl gesehen und er war so dick wie zuvor. Und wenn man sich die meisten Sanis ansieht, liegt der Schluss nahe, dass die Arbeit garnicht so anstrengend sein kann, wenn da lauter Dickmopse rumlaufen.
Während dieser 14 Tage habe ich nun also herumexperimentiert und geschaut was geht. Es ist wurst. Beachtet man die goldenen Regeln der Ernährungswissenschaften muss also Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Eiweiß, gesundes Fett (!) und Kohlehydrate irgendwie in das Futter mit rein. Woher bekommt man das aber in einer Konsumwelt, die aus Hamburgern, Leberkässemmeln und Dürüm besteht? Ja, diese Frage konnte ich auch nicht beantworten.


Optimal wäre, sich für den Dienst etwas zu essen mitzunehmen. Nicht jeder hat so einen Tupper-Fetisch wie ich und so ist es natürlich nicht immer ganz einfach das Essen von zu Hause in das Autochen zu transportieren. Und ständig Schüsseln und Besteck herum zu tragen ist auch nicht das Gelbe vom Ei (mir ging es nach 2 Tagen auf die Nerven). Der Erwerb von Lebensmitteln unterwegs ist auf die Dauer recht kostspielig und letztlich auch ein bisschen einseitig, denn unterm Strich bleibt es immer das Selbe: Brot, Gemüse, Obst, Aufstrich, Käse oder Aufschnitt. Auch hier benötigt man zumindest ein Messer, das man von zu Hause mitnimmt. Standardmäßig neben dem FM-Transmitter und dem Navi führe ich nun auch Löffel und Messer in meinem Rucksack mit, um für die Mittagspause gewappnet zu sein. 

Und ich muss gestehen: Es hängt mir jetzt nach zwei Wochen schon weitestgehend zum Hals raus. Ich will kein Brot mehr. Ich kann Brot nicht mehr sehen. Auch das Reinschaufeln von Rohkost und Bananenchips ödet mich an. Überhaupt graust mir gerade vor nahezu jedem Essen, das ich nicht als „Frühstück“ verbuchen kann. Ich will Salat, aber der aus dem Supermarkt schmeckt nicht.
Naja. Alles in allem ist und bleibt es nicht einfach „on the road“ etwas zu Essen aufzutreiben, das die Cholesterinwerte nicht sprengt. Pizza und sonstiges Junkfood hängt – zumindest mir – wirklich schnell zum Hals raus und wer heikel ist, hat sowieso verloren.
Ich bleibe erstmal bei Rohkost, Joghurt, Dinkelwaffeln und etwas Aufstrich, den ich nebenbei knabbere. Solange mein Blutzucker nicht im Keller ist, ist ja sowieso alles ok. Vielleicht stolpert die Wallewasweißich mal über diesen Eintrag und beglückt uns mit ein paar Tipps die uns allen den Alltag erleichtern. Wollen wir die Hoffnung mal nicht aufgeben.