Montag, 29. November 2010

Sanitätsknigge

In diversesten „infrastrukturerhaltenden“ Organisationen – vor allem wenn sie staatlich sind – geht es recht derb zu. Sätze ohne Schimpfworte hört man selten. Ructus und Flatulenz ernten tosenden Applaus, Geruch und Klang werden gerne analysiert. Ehebruch gilt als Kavaliersdelikt und wird mit „ist doch nur Sex“ abgetan. Stationen, Autos, Material und Schwesternaufenthaltszimmer in Krankenhäusern könnten Geschichten erzählen, die man sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausmalen würde und die eine hervorragende Vorlage für Pornos abgeben würden.
In Blaulichtorganisationen gilt es, die Hackordnung einzuhalten. Wer sich mit Hierarchien nicht anfreunden kann, sollte sich besser ein anderes Hobby suchen. Natürlich bleibt ein hochrangiger Idiot immer noch ein Idiot und sobald er in Privatkleidung vor einem steht ist er nicht wichtiger als ein Buschauffeur oder irgendein Passant. Aber innerhalb der Dienstzeit ist der Dienstgrad unbedingt einzuhalten und zu respektieren. Neunzig Prozent der Arbeit in Blaulichtorganisationen ist die Klärung von Haftungsfragen. Daher ist Anweisungen von diensthöheren Personen unbedingt Folge zu leisten, denn die haften für alles, was passiert. Soviel Professionalität sollte jeder mitbringen, um mit diesem Umstand fertig zu werden. Auch hier gilt wieder: Kreative Selbstverwirklichung ist eine wunderbare Sache, aber nicht im Rettungsdienst. Egal ob ehrenamtlich oder nicht.

Jeder (an Dienstjahren) junge Kollege muss dies mit- und durchmachen, dann wird er auch schnell in die Gemeinschaft aufgenommen. Die nachfolgenden Eigenschaften begünstigen diesen Prozess.  

# Höflichkeit: Teamintern vermeintlich unwichtig, aber man unterschätzt die sensible Ader der Sanitäter. Grüßen, bedanken (wobei hier nicht zwingend ein „Danke“ von Nöten ist sondern auch ein „geil“, „leiwand“, „passt“ die erwünschte Bestätigung bilden kann), ein bisschen zuvorkommend sein, klare Antworten geben und die Kollegen davon in Kenntnis setzen, wenn man das Auto, den Raum oder das Team für einen längeren Zeitraum als eine Minute verlässt. Auch dies hat wieder einen haftungstechnischen Hintergrund und ist für die Zusammenarbeit einfach wichtig. Es macht einen Unterschied ob ich mich kurz entferne weil ich auf die Toilette gehe oder weil ich Material austausche und das Auto damit auch nicht einsatzbereit ist (was im Übrigen auch der Leitstelle mitzuteilen ist).

# Kritikfähigkeit: Kritik kann unsere Freundin sein, selbst wenn sie uns nicht gefällt. Gerade als junger Kollege sollte man diese durchaus einholen, wenn sie nicht von alleine kommt. Nur so kann man über sich hinauswachsen und besser werden.
Wichtig:
- Kritik sollte in einem vertrauten Kreis stattfinden. Nicht vor Patienten, der Leitstelle, Krankenhauspersonal oder den Kollegen im Mannschaftsraum. Ich persönlich gebe meine Kritik gerne nach dem Einsatz ab, wenn man sich wieder im Auto einfindet und auf den nächsten Einsatz wartet.
- Für Kritik sollte man sich nicht rechtfertigen. Wozu auch, es ändert ja nichts mehr daran. Wenn der Kritiker den Grund dafür wissen will, fragt er ohnedies nach. Aber bis dahin sollte man die Kritik einfach mal annehmen ohne sie zu verleugnen.
- Junge Kollegen dürfen ihren Praxisanleiter oder Einschuler ebenso kritisieren. Sie dürfen sich nur nicht erwarten dass dieser sein Verhalten sofort ändert oder sich gar bedankt. Aber er wird es sich – sofern entsprechend höflich formuliert – gewiss nochmals durch den Kopf gehen lassen.

# Diskretion: Patientendaten sind zu schützen. Direkt nach dem Einsatz der besten Freundin per Handy zu erzählen, wie geil und wie toll usw. das alles war, wirkt wenig professionell. Und auch gerade in Zeiten von Social Network und Blog ist es nicht angebracht dies öffentlich breitzutreten.
Mal ein bisschen aus dem Nähkästchen (bzw. Verbandskästchen) zu erzählen ist kein Problem, aber stetiges Betonen der eigenen Wichtigkeit und was man nicht alles geleistet hat ist absolut unerwünscht und bringt in Summe bei den Kollegen nur ein genervtes Naserümpfen.

# Disziplin: auch Arbeiten zu machen, die einem nicht gefallen oder sogar sehr anstrengen. Irgendwer muss es ja machen, und im Zweifelsfall macht es immer der Praktikant, denn der muss es lernen.

# Respekt: Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück.
Patienten, Zivildiener, Kollegen, Krankenhauspersonal, Ärzte, die Putzfrau die den Mannschaftsraum aufwischt: Jeder hat Respekt verdient, und will man selbst respektvoll behandelt werden, muss man sich eben auch so verhalten.
Im Rettungsdienst heißt Respekt aber auch, dass ich die Ungleichberechtigung akzeptiere.
Wenn der Praxisanleiter Fotos von der Mannschaft macht, heißt das noch lange nicht dass der Praktikant das auch darf. Wenn der Praxisanleiter raucht ist dies kein Freibrief für den Praktikanten zu rauchen. Auch hier bietet es sich an kurz nachzufragen ob man auch rauchen darf oder ob noch etwas zu tun ist (z.B. den Tragesessel reinigen, Material nachfüllen, etc. ).

Es gibt natürlich noch weit mehr Eigenschaften die ich mir persönlich wünsche, aber das sind nach meiner Definition die Wichtigsten. Berücksichtigt man diese simplen Punkte wird man sich recht bald inmitten einer rülpsenden und furzenden Partie finden, die einen ermuntert ruhig auch mal einen Schluck Cola zu nehmen und das Alphabet aufzustoßen.

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