Donnerstag, 2. Dezember 2010

Der Rettungssanitäter – Homo erectus paramedicus

Die Aus-, Fort-, und Weiterbildung
Rettungssanitäter (RS) kann werden, wer seinen Zivildienst ableistet, oder eine Freiwilligenausbildung macht. Hierbei lernt man in rund dreihundert Stunden Theorie und Praxis das Leben im Rettungsdienst kennen. Hat man seine kommissionelle Prüfung bestanden, ist man auf die Welt losgelassen und darf Retten was das Zeug hält. Um hauptamtlich zu arbeiten muss man noch ein 40-stündiges Berufsmodul nachlegen, indem es vornehmlich um Rechte, Pflichten und Haftung geht. Innerhalb von zwei Jahren ab Prüfungsdatum (sog. „Stichtag“) muss man seiner Fortbildungspflicht von 16 Stunden sowie einer Aufschulung auf die aktuellen ERC-Richtlinien (European Resuscitation Council) am Halbautomaten-Defibrillator nachkommen.
Neben der Weiterbildung zum Notfallsanitäter mit verschiedenen Zusatzkompetenzen (Arzneimittelgabe, periphervenöser Zugang, Intubation) kann man auch noch Erste-Hilfe-Trainer, Rettungshundeführer, Wasserretter werden oder div. „Führungspositionen“ bekleiden. Es ist also für jeden etwas dabei. Leider neigen viele Sanitäter dazu, sich nicht entsprechend ihren Talenten weiterzubilden sondern belegen Kurse mit (in ihren Augen) vermeindlich coolen Inhalten. So sehe ich immer wieder gänzlich ungeeignete Kollegen in Ambulanzleitungspositionen, als Einsatzfahrer oder Erste-Hilfe-Trainer, denen schlichtweg jede dafür nötige menschliche Basis fehlt. Und besonders hier zeigt sich natürlich, dass das theoretische Fachwissen eine feine Sache ist – aber nur, wenn man sie auch anwenden kann.

Die Erscheinung
Der Rettungssanitäter trägt seine Uniform sauber und gepflegt, er trägt Sicherheitsschuhe und nur uniformkonforme Accessoires. Er hat seinen Fortbildungspass, seinen Sanitäterausweis und zumindest 2 Kugelschreiber sowie mindestens ein Paar Handschuhe eingesteckt. Wenn er besonderst motiviert ist, hat er einen Schreibblock für Notizen mit und natürlich trägt er die komplette Uniform (die aus Hose, Gürtel, Shirt/Hemd, Pullover/Weste und Anorak sowie die dazugehörigen Dienstgraddistinktionen besteht, denn andernfalls ist er unfallversicherungstechnisch nur grenzwertig abgesichert). Eine halbe Stunde vor Dienstbeginn kontrolliert er akribisch sein Material und tauscht es gegebenenfalls aus. Er meldet sich pünktlich einsatzbereit (EB) und fährt mit einer Mischung aus Vorfreude und Sorge zu seinen Einsätzen, wobei er sich an alle Gesetze hält.
Soviel zur Theorie.
In der Praxis sieht es ein wenig anders aus. Aufgrund der recht bescheidenen Materialqualität ist es schwierig die Uniformteile tatsächlich so sauber zu halten, dass man ihnen das Alter nicht ansieht. Auch das Tragen von nichtuniformkonformen Accessoires steht an der Tagesordnung. Verständlich, denn Schals, Mützen und all diese Dinge sind vom Träger selbst zu bezahlen. Das Tragen von Sicherheitsschuhen ist eine sehr heikle Angelegenheit. Grundsätzlich ist dies eine Dienstvorschrift und sollte vor allem im eigenen Interesse eingehalten werden. Da aber auch diese selbst erworben werden müssen und nicht automatisch bei der Grundausrüstung dabei sind, sieht man viele Convers, Sportschuhe, Sneakers und anderes, nicht ganz so festes Schuhwerk jeden Tag. Und ich selbst ziehe die bequemen schwarzen Sneakers auch den klobig-klotzigen Sicherheitsschuhen vor. Das Risiko dabei ist aber nicht zu verachten, denn wenn etwas passiert, das sich mit dem Nicht-Tragen von Sicherheitsschuhen begründen lässt, steigt die Arbeitsunfallversicherung aus (wenn man keine andere Krankenversicherung hat).
Die Materialkontrolle ist immer wieder ein Abenteuer. Ganz selten passt wirklich alles. Meist ist es so, dass dies oder das fehlt, kaputt ist – es aber auch keinen Ersatz dafür gibt, weil es nun mal ausgegangen ist oder das Budget derartige Anschaffungen eigentlich nicht vorsieht. Laut einer internationalen Studie sind österreichische Rettungssanitäter aber Meister im Improvisieren. Bleibt wohl alles eine Frage von Ursache und Wirkung.

Disziplinen im Rettungsdienst
# fachliche Kompetenz
Alle Teilgebiete der medizinische Komponente zu nennen würde schlichtweg den Rahmen sprengen. Aber wie sie natürlich vermuten lässt; es geht um Medizin im Allgemeinen und Anamnese, Diagnostik und präklinische Therapie im Besonderen.
Weiters sollte man mit allen Geräten und Materialien auf dem Auto umgehen und diese auf Funktionalität kontrollieren können.

# Navigation
Wer „Rettungsdienst“ spielt, sollte sich in seiner Stadt auskennen. Ich begrüße die Entwicklung sehr, dass die Leiter des Fahrdienstes (nahezu aller Organisationen) vermehrt Wert auf diese Kenntnisse legen. So sollte man mindestens die Adressen der Spitaler auswendig wissen bzw. wie man zu diesen kommt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dieser Prozess etwas dauert aber es ist machbar, selbst wenn man kein Autofahrer ist.

# Patientenkontakt
Hier kommen wir zu dem wunderschönen Punkt „Ruhe bewahren“. Als Sanitäter ist man der Moderator einer superakuten Stresssituation. Patient, Angehörige, Kollegen müssen sich auf mich und meine Entscheidung verlassen können. Und so wie ich mich verhalte, verhält sich auch meine Umwelt. Die Praxis zeigt: Nicht überall wo „Sanitäter“ draufsteht, ist auch Erste Hilfe drin. Um manchen Praktikanten habe ich mir mehr Sorgen gemacht als um den Patienten selbst und so kann ich nur nochmal betonen: Chill!
Wir haben alle gelernt dass wir nicht in die Wohnung oder zum Unfallort kommen und in Panik ausbrechen, sondern dass wir uns zuallererst einen Überblick verschaffen. Was ist passiert, wie sind die Umstände, worauf muss ich achten, brauche ich weitere Kräfte oder kann ich das Geschehnis mit meiner Mannschaft bewältigen? Und das wichtigste: Wo sind die Versicherungsdaten?

# hinten sitzen
Die wichtigste Disziplin, dafür erhält man die höchste Punktezahl im imaginären Score. Während der Fahrt zum Krankenhaus beim Patienten zu sitzen ist manchmal sehr unbeliebt, aber es gehört zum Rettungsdienst! Das ist unser gottverdammter Job. Wer einem sich übergebenden Patienten nicht die Nierentasse halten kann oder wem selbst immer hinten schlecht ist, der gehört nicht in ein Rettungsauto. Und je schwieriger oder anstrengender der Patient ist, desto lieber sitze ich hinten. Wenn es dann kein Trinkgeld (sog. „Maut“) gibt, gibt es wenigstens eine tolle Geschichte zu erzählen.  

# soziale Kompetenz
In einem anderen Kapitel schon erwähnt: Soziale Kompetenz ist das um und auf. Ich werde nun nicht noch mal erwähnen dass dazu Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Höflichkeit, Toleranz und Respekt zählen. Es sei hier lediglich noch mal erwähnt, dass diese Punkte sehr wichtig sind und für die Arbeit im Team unerlässlich.

# Dokumentation und Organisation
Ich liebe Dokumentation. Seitenweise kann ich Befunde über eine kleine Schnittwunde am linken Ringfinger schreiben, als würde ich die Geschichte eines Dschungelabenteuers wiedergeben. Mit dieser Leidenschaft stehe ich aber ziemlich alleine da. Viele Sanitäter lassen sich von langen Formularen und freien Textfeldern abschrecken und sind wir mal ehrlich: Wer hat schon jemals gelernt wie sich ein schöner Befund schreiben lässt? Grundsätzlich sollte immer so dokumentiert werden, dass man auch ohne den Patienten zu sehen sofort weiß, was los ist.
Was die Organisation anbelangt: Die ist etwas weniger unbeliebt. Dazu zählen das Abbuchen eines Bettes über die Leitstelle und die Übergabe im Krankenhaus. Hier zeigt sich die medizinische Kompetenz ganz deutlich, denn es beginnt schon damit dass ich entscheiden muss auf welche Abteilung wir fahren müssen. Im Krankenhaus muss ich der Schwester und dem Aufnahmearzt dann erzählen, warum wir hier sind und meinen Stempel einfordern. Die Übergabe nimmt aber ein eigenes Kapitel ein.

Fazit: Man sollte alle Disziplinen beherrschen, ungeachtet dessen ob sie einem gefallen oder nicht. Es ist unser aller Job, egal ob ehrenamtlich oder hauptberuflich. In dem Moment, wo wir eine Mannschaft stellen, interessiert niemanden mehr die Intention hinter dem Tragen der Uniform. Hier zählt Leistung, Leistung, Leistung.

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