Montag, 6. Dezember 2010

Patientenübergabe im Krankenhaus – straight to hell

Für jeden Praktikanten wahrhaftig die Hölle: Man muss so tun als würde man sich unheimlich gut auskennen, und steht dann einem Arzt oder Pfleger gegenüber, der mit einer einzigen Frage ein totales Blackout und damit den Selbstwert-Systemabsturz herbeiführen kann.
Für den erfahrenen Freiwilligen die „Challenge accepted!“-Situation.
Für Hauptamtliche Kollegen eine tägliche Routine die sie kaum mehr als ein Schulterzucken kostet.
Tatsächlich ist es so dass fast jeder Sanitäter zumindest ein Spital hat, indem er nur höchst ungern die Übergabe macht. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Gut, dass man zu Dritt ist und sich so – zumindest theoretisch – abwechseln kann.
Nachdem ich monatelang von lieben Einschulern an der Hand genommen wurde und ihnen beim Übergeben über die Schulter schauen durfte, habe ich den Bogen ziemlich raus, wie man eine brauchbare Übergabe im Krankenhaus macht.

Man nehme:
1 komplett und richtig ausgefülltes Transportprotokoll
1 Sanitäter (falls keiner zur Hand ist, reicht auch ein Praktikant)
1 Patienten
Beliebige Anzahl von Personen, die im abgebuchten Krankenhaus tätig sind.
1 EL Höflichkeit
1 Prise Humor
5 EL „beim linken Ohr rein, beim rechten Ohr raus“

Der Sanitäter (resp. Praktikant) übergibt Transportschein und Patient an den Aufnahmearzt oder Pfleger. Hierbei gibt er Auskunft über Name, Alter, Grund für die krankenhäusliche Konsultation. Zu beachten ist natürlich der Workflow im jeweiligen Krankenhaus.
…kurzes Durchatmen, diese Zeit nutzen um zu überprüfen ob Arzt/Pfleger noch mehr wissen wollen.
Mehr: Vorgeschichte des Patienten, etwaige bereits erfolgte Krankenhaus-Besuche wegen ähnlicher Probleme, Medikamentenliste, Auskunft über präklinische Therapie, eigener Eindruck, aktueller Zustand des Patienten.

Wenn die aufnehmende Person dann ein murriges „Mhm!“ anklingen lässt,  ist das das Zeichen um
a) den Patienten in die Obhut des Krankenhauses zu verbringen und
b) den Transportschein abzustempeln. Sonst bezahlt die Krankenkasse nichts und das macht Patienten im Allgemeinen verständlicher Weise sehr unglücklich.

Fehlerszenario:
Irgendwas hat nicht gepasst und der Arzt ist richtig, richtig schlecht drauf. Jetzt nur nicht nervös werden. Vielleicht findet man den Fehler noch und kann ihn zumindest das nächste Mal berücksichtigen. Folgendes könnte also passiert sein:

# Nicht gegrüßt. Ist unhöflich. Da freut sich niemand.

# Hausgebrauch nicht eingehalten. Die meisten Ambulanzfoyers sind tapeziert mit Hinweisschildern, wo man läuten soll, wo der Patient hingebracht wird, wo man anmelden gehen muss… Einfach nach dem Schlagwort „Rettung“ suchen und lesen. Es wird einem ungeahnte Möglichkeiten eröffnen! 
KFJ - EV
Krankenhaus Hietzing - EV






















# Links mit rechts verwechselt.
Nachdem wir recht viele Körperteile in zweifacher Ausführung haben ist es unendlich wichtig dass die richtige Seite genannt wird, wenn dort eine Verletzung besteht. Ärzte finden das gar nicht lustig.

# Blödsinn geredet. Soll auch vorkommen, dass man sich irgendwie verzettelt hat und der Arzt schon sauer ist. Auch hier gilt: Ruhig bleiben, entschuldigen, nochmal von vorne beginnen oder ggf. einfach zum letzten Punkt zurückgehen.

# fachlich Mist gebaut: Ja, dann sollte man sich die verbale Ohrfeige auch noch auf die rechte Backe geben lassen und fürs nächste Mal daraus lernen. Und zwar WIRKLICH. Auch wenn es nicht so ein höfliches Feedback ist – einen Lerneffekt zieht es hoffentlich alle Mal nach sich.

# Aufnahmepersonal hat einen schlechten Tag. Ja, das soll vorkommen. In dem Fall nimmt man alle 5 Esslössel „beim linken Ohr rein, beim rechten Ohr raus“ auf einmal, lächelt, stempelt, grüßt zum Abschied und geht. Mehr kann man nicht tun.

Fazit:
Die Krankenhausübergabe wirkt oft gruselig, aber sie ist gar nicht so schlimm. Und wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück. Und falls mal was schiefgeht, hat man mit Sicherheit noch während des Dienstes eine zweite oder dritte Gelegenheit das zu verbessern.

Und: Die KHÜ ist keine reine Zivi-Arbeit. Vorallem ehrenamtliche Sanitäter neigen dazu, vermeindlich ungeliebte Aufgaben wie eben diese auf Zivis abzuwälzen. Das ist nicht „state of the art“ und es macht einen nicht zu einem besseren Sanitäter sich nie in die „Höhle des Löwen“ zu begeben.

Also, nur Mut!

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