Wann und warum bist  du zum Rettungsdienst gegangen?
Jänner  2005 - Wegen dem Zivildienst.
Warum bist du  geblieben?
Die  Arbeit macht Spaß. Es gibt selten Berufe, in denen man so viel Abwechslung hat,  wie im Rettungsdienst. Man lernt neue Zivildiener kennen und befreundet sich mit  diesen… was dann auch lange hält. Man macht etwas Sinnvolles für die  Bevölkerung. Man genießt (zwar nicht mehr so wie früher) einen gewissen Respekt  in der Öffentlichkeit. Wirklich interessant ist es, wenn man zu einem Patienten  kommt, der einfach nicht weiter weiß, und man während des Gesprächs und dem  Transport in ein Spital, merkt, wie es ihm langsam besser geht, allein nur durch  zuhören, zureden und Verständnis zeigen.
Wann fühlst du dich  richtig gefordert?
Würde  ich jetzt „nie“ schreiben, würde ich lügen… Gefordert bin ich eigentlich nur,  wenn es um die „richtige Handhabung bei Psychosen“ geht, um die Situation nicht  eskalieren zu lassen. Reanimation, Amputationen, Polytraumen und Schockzustände  sind zwar schwierig und umfangreich zu behandeln, wenn man aber mit einer  gewissen Routine und Ruhe arbeitet, ist alles davon „leicht“ zu  bewältigen.
Was nervt dich an  unsrem Rettungssystem oder deiner Organisation?
Wenn  man das Wiener Rettungssystem mit dem „am Land“ vergleicht, sind wir eigentlich  nur ein besseres Taxi. Jeder ruft wegen Kleinigkeiten die Rettung und erwartet  sich die „achsogute“ Wunderheilung. Ländlich fährt die Oma ohne Führerschein den  Opa mit einem akuten MCI immer noch selbst ins nächste Spital… der ASB im ganzen  gesehen ist eigentlich eine der besten Organisationen, auch wenn jeder darüber  meckert.
Ein paar Worte zu  einer Interaktion mit einem Patienten, die dir nachhaltig in Erinnerung  geblieben ist?
Wir  sind mit einer 26-A-1 Berufungsdiagnose (keine Notfallsymptome, erkrankte  Person) in die klassische Nobelgegend gekommen: Slums im Arbeiterbezirk. Eine  ungepflegte Wohnung. Beim Reinkommen hätte ich um ein Haar den kleinen Hund  zertreten, die ganze Wohnung war ziemlich abgefuckt. Zunächst dachten wir, die  Frau, mit der wir uns unterhalten haben, sei die Patientin. Bis wir plötzlich  Stöhnen aus dem Schlafzimmer hörten. Beim öffnen der Zimmertüre kam uns eine  Duftwolke entgegen, die mich und meinen Zivildiener beinahe niedergeknüppelt  hätte. In dem Zimmer lag in einer „Bettenburg“ ein kachektischer Mann in  alarmierend schlechtem Allgemein- und Ernährungszustand. Überall lagen Decken  und Handtücher auf ihm und unter ihm. Nach einem tiefen Zug des  Sterilium-Geruchs und dem Versuch ein Anamnesegespräch zu führen, wurde uns klar  dass dieser Mann seit mehreren Wochen nicht mehr aufgestanden ist, seine  Notdurft daher auch stetig im Bett verrichtet hat und die Frau augenscheinlich  mehr als überfordert mit der Situation war. Auf die Frage, wo denn die Frau  schläft, meinte sie nur lapidar „Na, daneben natürlich!“ –  …Natürlich.
Als  wir versucht haben, den Patienten aus seinem Matratzengefängnis zu befreien,  habe ich beim Anheben der Handtücher gesehen, dass sich die Haut mit ablöst. An  mehreren Stellen hat er bereits zu verwesen begonnen, andere Bereiche waren  regelrecht mit dem Untergrund und den Handtüchern verwachsen. Wir haben dann  beschlossen ihn mitsamt dem Untergrund zu hospitalisieren. Trauriger Weise war  der Hund das normalste Lebewesen in dieser Umgebung.
Bei  der Ankunft im Krankenhaus haben sich mein Zivildiener und ich erstmal im  Bereich des Eingangs übergeben, woraufhin der Portier zu uns gelaufen kam und  uns schon schimpfen wollte was uns einfällt hier hinzukotzen – bis er vor dem  Auto stand und auch er ein dezentes Näschen von dem Odeur aufnehmen konnte – und  sich ebenfalls übergeben hat. Letztlich hat die komplette Abteilung dann  mitgeholfen, den Patienten möglichst schonend vom Auto in das Krankenhaus zu  bekommen. Die darauf folgende Intensivpflege des Autos dauerte mehrere Stunden.  Als letzten Transport des Dienstes haben wir einen selbstständig gehenden  Dialysepatienten bekommen, der beim Einsteigen in das Auto gefragt hat, ob da  jemand verstorben sei, weil es immer noch so erbärmlich gestunken hat. Zehn  Minuten und zwei vollgekotzte Nierentassen später konnten wir ihn in die  Dialysestation entlassen und unseren Dienst beenden. 
Gibt es Personen in  deinem Job, die dir ein Vorbild sind – wenn ja, wer/warum?
Vorbilder  zu haben ist schwierig… möglicherweise sind es einfach nur Menschen, die man  wegen ihrer Art, wie sie mit Situationen umgehen, mehr respektiert als andere…  
Wenn jemand dir  erzählt, dass er auch die Sanitäterausbildung machen möchte, was würdest du ihm  sagen?
Bevor  du in Erwägung ziehst, in den heiligen Club der Sanis einzusteigen, sei dir  darüber im Klaren, dass du mit abgetrennten Gliedmaßen, extremen psychischen  Belastungen, unstillbaren Blutungen, schwierigen und verwirrten Patienten,  schweißtreibenden Wandertagen mit liegenden Personen (+ 150kg) in den 7. Stock  klar kommen musst. Du musst immer „ja“ und „Amen“ sagen, egal wer etwas will….  Kannst du damit leben, bist du richtig im Rettungsdienst
Sollten Frauen auch  Zivildienst machen müssen?
Nein,  aber sie sollten die Möglichkeit haben, einen sozialen Dienst auf freiwilliger  Basis gegen Entschädigung machen zu dürfen
 
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